Heinz Seifert – ein Rückblick



Beobachtet man heute Foren und Internetauktionen zum Thema Heinz Seifert gewinnt man den Eindruck eines Hypes. Seine Gitarrenbaukunst wird über die Maßen gelobt, die Preise seiner Instrumente kennen nur eine Richtung – nach oben. Für die aufgerufenen Beträge kann man locker vollmassive Instrumente etablierter Hersteller kaufen - und das ohne Altersgebrechen.

Vielleicht sollte man zunächst einen Blick zurück werfen, zumindest auf die Zeit, über die ich mitreden kann. Ende der 70er Jahre war es für angehende Musiker in der DDR sehr schwer, an halbwegs brauchbare Instrumente zu kommen. Der staatliche Großhandel bot Einheitsinstrumente eher schlichter Bauart an. In der Regel gab es Instrumente von Musima oder Jolana. Bessere Instrumente gab es auf dem Gebrauchtmarkt, fast ausnahmslos aus dem „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ wie z.B. Hagström, Ibanez, Aria oder Squier. Der Haken daran war, dass der Kaufpreis zwischen dem 5 und 10fachen (!) eines durchschnittlichen Ost-Monatslohnes betrug.

Somit stand man als jemand, der ernsthaft ein Instrument erlernen wollte vor der schwierigen Situation, sich ein brauchbares Arbeitsgerät zu beschaffen. Teilweise wurden natürlich auch über Lehrer und Musikerkollegen Instrumente vermittelt, die jedoch a) eher selten und b) für Amateure kaum erschwinglich waren.

Wer also in dieser Situation die Chance hatte, eine Gitarre von Heinz Seifert zu bekommen, bekam ein sehr gut klingendes, solide gebautes Instrument. Wiederum gab es einen Haken. Genaugenommen zwei: Seifert war ein Einmannbetrieb und damit war die Anzahl der Instrumente trotz rationalisierter Fertigung begrenzt. Und zum zweiten besaß man damals oft nur eine Gitarre und wenn es eine Seifert war, hat man die nicht hergegeben. Es sei denn, man wollte sich ein Instrument mit Namen wie oben kaufen und braucht Geld.


© 2009 DMa
Das war also meine Situation als Teenager, der zu alledem noch Bassist werden wollte. Akzeptable Bässe gab es noch weniger als Gitarren. Glücklicherweise gibt es in meiner Geburtsstadt namhafte Klassikorchester was natürlich auch Instrumentenbaumeister anzieht. Und so auch einen entfernten Verwandten von H. Seifert, der Geigenbogenmachermeister war und der zufällig mit meinen Eltern bekannt war. So kam es, dass ich eines Tages bei ihm in der Werkstatt meine Bitte vortrug, ob Seifert nicht eine Bass für mich bauen könnte. Die Antwort war: Na, da schreib ihm doch mal, der macht das schon. Gesagt getan und nach einiger Zeit kam eine der berühmten 10-Pfg.-Postkarten mit Schreibmaschine beschrieben zurück. Er fragte, welche Form es denn sein solle (Gibson oder Fender) und ob ich denn Hardware hätte, denn dann ließe sich bestimmt etwas machen. Nachdem ich einen DiMarzio Model One und Schaller BMFL’s mir „beschafft“ hatte, diese per Einschreiben zu ihm schickte, war der Auftrag platziert.
Ein mir endlos erscheinendes Jahr später konnte ich das Instrument bei ihm in der Werkstatt abholen und lernte ihn zum ersten Mal persönlich kennen. Ein untersetzter, verschmitzter Mittfünfziger begrüßte mich in einer Werkstatt der man ansah, dass hier Handwerk im wahrsten Sinne des Wortes ausgeübt wurde. Er holte den Koffer, öffnete ihn und gab mir das Instrument. Jeder, der schon einmal ein individuell gebautes Instrument das erste Mal in den Händen hielt, weiß was ich damit meine.
Und Heinz Seifert hatte sich wirklich ins Zeug gelegt: Toll gemasertes Mahagoniholz, Buche und Ahorn für den Hals, Erle mit Ahornfurnier und eine transparentroten Lackierung für den Korpus. Man sah Meister Seifert auch an, dass er zufrieden mit seinem Instrument war und stimmig die Hardware integriert hatte. Auf der Rechnung (ausgestellt von der staatlichen Migma) stand: „Solistenschlaggitarre in Bassstimmung“ von Gitarrenbaumeister Heinz Seifert, Rechnungsbetrag 1200,- Mark. 1980 wohlgemerkt!


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Später dann, wenn es kleinere Reparaturen oder Umbauten zu machen gab, besuchte ich ihn in seiner Werkstatt. Besuchen, dass hieß mehrere Stunden Fahrt mit Bahn und Bus denn ein eigenes Auto hatte ich nicht! Einmal mit ihm bekannt war es dann auch möglich, einige Jahre später eine Precision Kopie mit Sonderwünschen hinsichtlich Holz, Hals, Mensur, Korpus, Lackierung in Auftrag zu geben. Wie immer, Tonabnehmer und Mechaniken mussten sozusagen als Anzahlung mitgeliefert werden. Nach reichlich einem Jahr war auch dieser Bass fertig gestellt und das Übergaberitual wiederholte sich. Diesmal war es wirklich auch ein Unikat geworden, das meine individuellen Vorstellungen berücksichtigte.

An einem kleinen Detail lässt sich vielleicht auch die Philosophie von H. Seifert nachvollziehen. Das Griffbrett sollte 2 Oktaven umfassen und aus irgendeinem Grund war die Bundeinteilung anders gesägt worden. Anstatt neues Material zu nehmen hat er das Griffbrett umgedreht und auf der Rückseite die Bundnuten im richtigen Abstand eingesägt. Als ich ihn darauf ansprach sagte er schmunzelnd: „Junger Mann, das geht schon. Man muss das nur richtig machen.“
Ungleichmäßigkeiten oder gar Deadspots sucht man vergebens. Die Tonansprache ist sensibel und über das gesamte Griffbrett absolut ausgeglichen.

Seifert war sich der Qualität seiner Hölzer bewusst und die familieneigenen Holzbestände wurden sparsam verbaut. Was man von Hand fertigen konnte, wurde in der Regel auch ohne Maschinen gefertigt. Schlagbretter sowieso aber auch Tonabnehmerrähmchen wurden aus einzelnen Lagen geformt und verklebt. Wenn die meisten seiner Kunden ihr zukünftiges „Hauptinstrument“ von ihm bekamen, dann war ein hervorragender Klang, eine ausgezeichnete Bespielbarkeit und Solidität was er lieferte.

Ich habe zum Beispiel eine Favoritgitarre, die offensichtlich einem Tanzmusiker mal gehörte. Auch nach mehr als 30 Jahren Einsatz – und das sieht man ihr an- gibt es an den entscheidenden Belangen wie Resonanz, Stimmstabilität, gerader Hals, Risse, Binding etc. nichts auszusetzen. Und der Sound? Phantastisch!

1989 wurde Heinz Seifert 65 Jahre alt – die Mauer fiel im Herbst desselben Jahres. Mit einem Mal war es möglich, die jahrelang begehrten Originale von Fender, Gibson usw. zu kaufen und es ist gut vorstellbar, dass es in der Werkstatt von Heinz Seifert ruhiger wurde. Trotzdem hat er in dieser Zeit weiter Instrumente gebaut, in die er all seine Erfahrung und handwerkliches Können legte. Wer wie er auf so viele Jahre Gitarrenbau zurückblicken konnte wie er freute sich sicher auch, wenn ein früher gebautes Instrument zum Restaurieren in seine Werkstatt zurückkehrte. Vor einiger Zeit konnte ich eine Jazzgitarre aus den 50ern erwerben, die Seifert 1998 liebevoll, mit viel Aufwand und umfassend restauriert hat.

Heinz Seifert starb 2002. Was bleibt ist, dass er für viele Musiker aus dem Osten sehr gut klingende, solide und bestens bespielbare Gitarren und Bässe gebaut hat. Für viele dieser Musiker sind die Instrumente das Werkzeug ihres Berufslebens gewesen.
Ich wiederum hatte das Glück einen freundlichen, entgegenkommenden und versierten Gitarrenbauer kennenzulernen, der für mich 2 individuelle Instrumente baute.
Die wiederum sind über all die Jahre verlässliche Begleiter geblieben.

Das alles sind meine persönlichen Erinnerungen, die vielleicht nach einigen Jahrzehnten auch etwas unscharf geworden sind. Über Hinweise, Anmerkungen und weitere Erfahrung würde ich mich freuen und bin unter favorit.gitarren@yahoo.de zu erreichen. 2009 © DMa
 
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