Kurzgeschichte zum Musikinstrumentenbau
in Markneukirchen von Heidrun Eichler


Die Besiedlung von Markneukirchen fand im 11. Jahrhundert durch Bauern aus dem oberpfälzisch - ostfränkischen Raum statt. Ähnlichkeiten in der Mundart sind bis heute deutlich zu hören. Markneukirchen war um 1650 eine kleine Stadt mit knapp 600 Einwohnern, vorrangig Handwerkern, Ackerbürgern und Landfuhrleuten. Infolge der Rekatholisierung Böhmens flüchteten viele Protestanten ins benachbarte Sachsen. Zu diesen Exulanten gehörten auch 12 Geigenbauer aus Graslitz, die 1677 in Markneukirchen eine Geigenmacherinnung gründeten- übrigens die älteste Innung dieser Art, die bis heute besteht.

Arbeiteten um 1700 in Markneukirchen etwa 30 Musikinstrumentenbauer, waren 100 Jahre später ca. 200 Menschen in Markneukirchen und Klingenthal mit dem Musikinstrumentenbau beschäftigt. Die Teilung von Instrumentenbau und Handel setzte sehr früh ein und war Mitte des 19. Jahrhunderts voll ausgeprägt. Ebenso typisch für die Region war die Spezialisierung und zunehmende Arbeitsteilung der Produzenten bereits im 18. Jahrhundert.
1828 gab es in der Musikstadt 61 Groß- und 35 Kleinhändler. Diese kauften die Ware meistens Dutzendweise vom Instrumentenbauer, der in der eigenen Werkstatt arbeitete.

Die Verleger, die im Volksmund “Fortschicker” genannt wurden, haben ihre Arbeit nicht uneigennützig getan. Bis zu 21 Millionäre hat es in der kleinen Stadt am Schwarzbach bis 1945 gegeben. Markneukirchen war zeitweilig der zweitgrößte Steuerzahler (pro Kopf gesehen) in Sachsen. Ein USA-Konsulat wurde Ende 1893 eingerichtet, um den Handel nach Übersee besser abwickeln zu können. Mit dem Eintritt der USA in den ersten Weltkrieg wurde das Konsulat geschlossen. Noch heute zeugen stattliche Bürgerhäuser und schmuckvolle Villen vom einstigen Reichtum der Musikstadt. Die beiden Weltkriege, Inflation und die Weltwirtschaftskrise wirkten sich sehr negativ auf den Instrumentenbau aus.

Nach 1946 wurden durch Enteignung von Großbetrieben, Zusammenlegung kleiner und mittlerer Betriebe und Gründung neuer Produktionsstätten vollkommen neue Strukturen im Musikinstrumentenbau geschaffen. Mit der Verstaatlichung von selbständigen oder halbstaatlichen Betrieben im Jahre 1972 fand eine weitere Konzentration der Produktion statt, die 1981 schließlich zur Gründung des Kombinates für Musikinstrumente führte. Der Absatz wurde zum größten Teil über die staatlich kontrollierte Außenhandelsgesellschaft DEMUSA Klingenthal abgewickelt.

Seit 1943 steht den privaten Musikinstrumentenbauern die Musikinstrumentenbaugenossenschaft MIGMA zur Seite. Ursprünglich von einzelnen Handwerkern gegründet, um sich gegenüber den Verlegern besser schützen zu können, hatte sie nach dem Krieg bis 1989 die Funktion einer Einkauf- und Liefergenossenschaft. Die selbständigen Instrumentenbauer konnten über die MIGMA Material einkaufen, was sie mangels westlicher Währung sonst nicht bekamen, waren aber dafür verpflichtet, einen Teil der Instrumente für den Verkauf an die Genossenschaft abzugeben. In den 1960iger Jahren wurde dem Nachwuchs die Übernahme oder Gründung von privaten Werkstätten nicht mehr gestattet, ein großer Fehler, der 1988 mit der zur Gründung der Fachschule für Musikinstrumentenbau (heute Westsächsische Hochschule Zwickau, Studiengang Musikinstrumentenbau Markneukirchen) korrigiert werden sollte. Heute ist die MIGMA eine Großhandelseinrichtung, die ihre Mitglieder regelmäßig bei Messen und Ausstellungen vertritt.

Die Entwicklung der industriellen Fertigung der Musikinstrumente nahm in den letzten Jahrzehnten einen ganz anderen Verlauf. Manufakturbetriebe entstanden bereits um 1900, wobei hier die Saitenfabrikation führend war. 1913 wurden 75% der Weltproduktion an Saiten durch Markneukirchen abgedeckt. Die Saitenherstellung war die Branche der Musikindustrie mit dem höchsten Anteil von Frauen. Tätigkeiten wie Saitenspinnen und -ringeln wurden auch häufig in Heimarbeit erledigt. Qualität konnte nur durch entsprechende Rohstoffe erreicht werden. Wurden Schafdärme zunächst aus England bezogen, so reisten die Handelsleute bald nach Mittelasien, um das Rohmaterial von dort zu beziehen.
Interessant ist dieser Umstand auch für die Geschichte des Museums, denn so mancher Weltreisende brachte für die Sammlung wertvolle Instrumente mit.

Erwähnenswert ist die von 1906 bis 1930 existierende Aktiengesellschaft für Geigenindustrie. Es war der erste Versuch der maschinellen Fertigung von Geigenschachteln (Boden, Zargen und Decke), die bis dahin hauptsächlich aus dem böhmischen Schönbach bezogen wurden.

Die industrielle Fertigung hatte einen weiteren Höhepunkt zu DDR-Zeiten. Bis zu 1200 Beschäftigte hatte der VEB MUSIMA, zu dem außer dem 1965 errichteten Hauptgebäude auch viele kleinere Betriebsteile gehörten, die 1972 bei der umfassenden Verstaatlichung mit angeschlossen wurden. Die Produktion umfasste täglich bis zu 2000 Blockflöten, 360 Gitarren und 20-30 Streichinstrumente.

Die Großbetriebe wurden in den 1990er Jahren privatisiert, stark verkleinert oder gingen- wie die MUSIMA- in Insolvenz. Es gab auch Neugründungen, allerdings ist der Produktionsumfang heute auf Grund der großen Konkurrenz aus dem Fernen Osten stark zurückgegangen.

Hohe Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sind Voraussetzungen für Absatzchancen auf dem hart umkämpften Musikmarkt der Welt. Die langjährige Tradition des hiesigen Musikinstrumentenbaues und eine darauf aufbauende solide Ausbildung garantieren auch zukünftig den wirtschaftlichen Fortbestand der z.Z. ca. 120 Werkstätten und 6 mittelständischen Unternehmen.

Heidrun Eichler, 2008




© Heidrun Eichler

 
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